Der Woke Schnittkäse der die Welt bewegt

Der Woke Schnittkäse der die Welt bewegt

Die Firma Milram hat kürzlich ein neues Verpackungs-Design für ihren Schnittkäse eingeführt, auf dem im Comic-Style Menschen im sozialen Miteinander abgebildet sind. Was daran aktuell die Gemüter erhitzt: Es sind Menschen mit unterschiedlichen Teints.

Meine erste Begegnung mit diesem neuen Packungsdesign war ein Meme. Ich habe dieses Meme zunächst überhaupt nicht verstanden, da mir die neue Verpackung gar nicht aufgefallen war und ich überhaupt nicht wusste, worauf sich da bezogen wird. Aber in den Kommentarspalten konnte ich dann schnell erkennen, woher der Wind weht.

Leute beschreiben diese Verpackungen als “woke” oder “linksgrün”, generell werden sie als politisch eingestuft. Ich bin aus allen Wolken gefallen.

Pluralistische Gesellschaft?

Deutschland versteht sich ja offiziell als pluralistische Gesellschaft. Die Prinzipien einer pluralistischen Gesellschaft sind im Grundgesetz verankert – etwa Menschenwürde, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Gleichheit vor dem Gesetz und Minderheitenschutz.

Nun polarisiert aber eine Käseverpackung, die unsere pluralistische und diverse Gesellschaft abbildet, in einem solchen Maße. Die Reaktionen offenbaren einen Konflikt: Plurale Darstellung ist politisch gewünscht, aber für manche ist sie eine Provokation. Diese Haltung steht im Widerspruch zur verfassungsrechtlichen Idee der Gleichbehandlung und Nicht-Diskriminierung – sie zeigt: Pluralismus ist weder selbstverständlich noch stabil, insbesondere wenn es sichtbar wird.

Nichts Neues

Dabei ist die Grundidee, sich von einer PoC – einer Person of Color – auf einer Käseverpackung provoziert zu fühlen, die Offenbarung einer zutiefst rassistischen Grundhaltung. Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben und Teints sind in unserer Gesellschaft kein neues Phänomen. Das Gleichsetzen von Menschen unterschiedlicher Hautfarben mit Migranten ist eine sehr vereinfachte Sicht. Manche der betroffenen Menschen leben hier in dritter Generation, sind in Deutschland geboren, haben nie ein anderes Heimatland gekannt. Ich frage mich manchmal, wie diese Personen denken, vor allem was sie dabei fühlen. Wenn sie mitbekommen, dass die Tatsache, dass ihr eigener Teint auf einer Käseverpackung repräsentiert wird, für einen Deutschlandweiten Shitstorm sorgt. Mich würde das ganz schön traurig machen. Für Betroffene muss es bitter sein, wenn ihr bloßes Dasein auf einer Käsepackung solche Hasswellen auslöst

Konfliktzone Gesellschaft

Bereits die Darstellung wird zum Politikum – ein Indikator dafür, wie fragil das Thema Hautfarbe im alltäglichen Diskurs ist. Denn wenn man den Elefanten im Raum anspricht, muss man sich fragen: Gehören unterschiedliche Hautfarben zu Deutschland? Meine persönliche Antwort wäre: selbstverständlich. Aber wenn alle so denken würden, dann würden wir jetzt nicht über Schnittkäse diskutieren. Es gibt offenbar eine nennenswert laute Gruppe an Menschen in diesem Land, die das ablehnen. Und das macht mir wirklich große Sorgen.

Hühner haben Rassen, Menschen nicht.

Die Grundidee dahinter ist eine zutiefst problematische. Hautfarben und Teints an sich sind ja bereits enorm divers. Es gibt nicht nur “hell” und “dunkel”, sondern quasi unendlich viele Abstufungen. Wo würde man gesunden Gemüts da eine Grenze ziehen? Wo fängt “dunkel” and, wo endet “hell”? Warum würde man sich darum überhaupt Gedanken machen wollen? Ich finde es erschreckend und ganz fürchterlich.

Denn es gibt bei Menschen keine Rassen. Biologisch gesehen gehören wir alle der gleichen Art an, nämlich vereinfacht gesagt: Homo Sapiens. Hautfarbe, Gesichtszüge oder Haarstruktur sind lediglich oberflächliche Anpassungen an zum Beispiel klimatische Begebenheiten. Sie bedingen aber keine biologische Rasse. Genetisch unterscheiden sich Menschen nur minimal. Über 99% der DNA ist bei allen Menschen gleich.

Der Begriff „Menschenrassen“ stammt aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Er wurde in der Kolonialzeit und im Nationalsozialismus benutzt, um Hierarchien zu rechtfertigen und Menschen zu unterdrücken. Diese Einteilungen waren pseudowissenschaftlich: Sie stellten äußere Merkmale über kulturelle und individuelle Unterschiede.

Bei Tieren wie Hühnern spricht man von „Rassen“, weil sie über viele Generationen hinweg gezielt gezüchtet wurden. Dabei werden bestimmte Merkmale – etwa Gefiederfarbe, Kammform oder Legeleistung – bewusst abgegrenzt und in geschlossenen Zuchtlinien weitergegeben. So entstehen klar unterscheidbare Gruppen mit relativ einheitlichen Eigenschaften.
Bei Menschen ist das völlig anders: Wir sind keine Zuchtpopulation, sondern eine einzige, sehr vielfältige Art. Hautfarbe, Haarstruktur oder Gesichtszüge haben sich als Anpassungen an unterschiedliche Lebensräume entwickelt und verlaufen fließend ohne feste Grenzen. Deshalb spricht die Biologie bei Menschen nicht von „Rassen“, sondern von einer gemeinsamen Art mit großer innerer Vielfalt.

Die Frage die bleibt

Was bei mir hängen bleibt: Warum stören sich Menschen daran? Was genau wäre im Leben einer Person besser, wäre auf dem Schnittkäse jetzt eine schnittkäseweiße Familie abgebildet? Es würde nichts an unserer Gesellschaft, der Diversität der Menschen, oder dem Inhalt unserer Verfassung ändern. Die Person hätte davon keinen erkennbaren Vorteil – warum also die ganze Aufregung? Ist es die harte Konfrontation mit der Realität?

Ich kenne und schätze viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Teints. Und ich begrüße es tatsächlich, wenn in Werbung und Marketing langsam ankommt, dass wir eine diverse Gesellschaft haben, Und diese auch abgebildet werden darf. Was genau ist “woke” an einer Repräsentation der Realität?
Oder ist es die Realität, die diese Kritiker stört? Das wäre zutiefst beunruhigend.

5 3 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen