Warum müssen Menschen ständig zeigen, dass sie „gut genug“ sind? – Für manche ist Integration nie gut genug. Mich beschäftigt schon länger ein Gedanke – oder besser gesagt ein Zustand, den ich in meiner Arbeit immer wieder erlebe und der für mich kaum zu ertragen ist.
Diese Woche sprach ich mit einem gebürtigen Deutschen, dessen Eltern aus der Türkei stammen. Er fühlt sich zu 100 % als Deutscher, kennt das Land seiner Wurzeln kaum – und trotzdem hat er das Gefühl, sich immer wieder beweisen zu müssen.
Und genau das sehe ich so oft: Menschen, die hier leben, arbeiten wollen, sich integrieren – und dennoch das Gefühl haben, ständig zeigen zu müssen, dass sie genügen. Ja, ich poste oft Arbeitseinsätze, um zu zeigen, dass diese Menschen motiviert sind, helfen, mit anpacken, sich einbringen. Aber eigentlich sollte das in unserer Welt nicht nötig sein, dass man so etwas extra beweisen muss. Da bin ich manchmal selbst im Struggle: Einerseits will ich die positiven Beispiele zeigen, andererseits wünsche ich mir, dass sie gar nicht erst nötig wären.

Freiwillige Helfer aus dem Kreis Kusel bei einer Hilfsaktion im weit entfernten Thüringen. Youcef aus Kusel, Amir aus Ehweiler und Chamseddine aus Börsborn reinigen den Truck nach dem Abladen von Abfällen. Über mehrere Tage wurde einer Erkrankten Person geholfen, ihren Wohnraum zu sanieren.
Verpflegung und Respekt
Ich stelle übrigens auch klare Forderungen, wenn jemand ehrenamtlich einen Hilfseinsatz macht.
Ich möchte nicht, dass diese Menschen ausgenutzt werden. Alles läuft auf freiwilliger Basis, und ich sage allen, die Hilfe bei einem Einsatz brauchen: Ich möchte, dass die Helfenden gut versorgt werden – mit Essen, Trinken und dem nötigen Respekt. Immerhin machen sie das alles aus freien Stücken.
Ganz ehrlich: Man sieht einem Menschen doch nicht an, woher er kommt.
Nur weil jemand eine dunklere Hautfarbe hat oder andere Gesichtszüge, kann man doch nicht automatisch sagen: „Der kommt aus diesem oder jenem Land.“
Ängste und Anpassung
Natürlich gibt es überall auf der Welt Menschen, die anderen schaden wollen – das war schon immer so und wird es leider immer geben. Aber das hat nichts mit Herkunft, Religion oder Hautfarbe zu tun.
Genauso verhält es sich mit der sogenannten „Anpassung“. Wer von uns würde, wenn er in ein fremdes Land zieht, seine komplette Kultur oder seine Religion aufgeben? Und warum sollte das nötig sein, wenn wir doch friedlich miteinander leben können – jeder mit seiner Kultur und seiner Religion?
Natürlich ist eine gewisse Anpassung wichtig, wenn man in einem fremden Land lebt.
Jeder sollte frei entscheiden können, wie er seine Religion lebt – solange er damit niemandem schadet oder anderen ihre Rechte nimmt. Und wenn eine Frau – oft aus freien Stücken und wegen ihrer Religion – einen Hijab tragen möchte: Warum muss man ihr das absprechen? Oder sogar beklatschen, wenn sie ihn abnimmt? Oder wenn jemand kein Schweinefleisch isst – wem schadet das? Ich verstehe das nicht.
Ein Blick nach Thüringen
Ich war neulich in Thüringen und habe mich gefragt, warum dort so viele Menschen Hass auf Ausländer haben. Erinnern wir uns an die Zeit nach der Wiedervereinigung: Damals hatten viele Menschen im Westen Angst, die Menschen aus dem Osten würden ihnen Arbeitsplätze wegnehmen, „die anderen“ bekämen alles. Und jetzt passiert genau dasselbe – nur diesmal werden Menschen aus anderen Ländern so behandelt. Für mich ist das nicht logisch und nicht nachvollziehbar.
Wer selbst erlebt hat, wie es ist, sich beweisen zu müssen oder ausgeschlossen zu werden, sollte doch gerade anders handeln.