Warum man Extremisten & Populisten keine Bühne bieten sollte

Warum man Extremisten & Populisten keine Bühne bieten sollte
Foto von Jeremy Bishop auf Unsplash

Ich verabescheue Extremismus zutiefst. Sowohl den linken als auch den rechten. Wenngleich man nicht behaupten kann, dass beide Seiten gleich gefährlich wären, so finde ich dennoch, dass zu extreme Sichtweisen generell zu falschen Schlussfolgerungen führen. Denn sie vereinfachen komplexe Sachverhalte und stellen dann vermeintlich einfache Lösungen für Probleme bereit, die in Wirklichkeit überhaupt nichts lösen. Da die Wirklichkeit nicht einfach ist.

Nun wird in der Öffentlichkeit häufig diskutiert, wie man mit Populisten und Extremisten umgehen sollte. Kurz nach der jüngsten Einstufung einer relevanten, deutschen Partei als “gesichert rechtsextremistisch” beispielsweise, bekamen führende Politiker ebendieser Partei zu prominenter Sendezeit Interviews in den öffentlich-rechtlichen Medien. Gerade jene Medien, die von der Allgemeinheit finanziert werden und eine Verpflichtung haben, unabhängige und neutrale Berichterstattung zu liefern.

Der ÖRR in der Zwickmühle

In Deutschland gilt das Parteiengesetz. Öffentlich-rechtliche Sender müssen „alle relevanten politischen Kräfte“ abbilden, besonders während Wahlen. Die AfD ist im Bundestag und in Landesparlamenten vertreten. Nach den Kriterien der Relevanz hat sie also Anspruch auf Berichterstattung. Dennoch müssen die Sender auch sicherstellen, dass Extremismus nicht normalisiert wird. Berichterstattung über Parteien darf nicht zur Propaganda werden. Das ist allerdings keine einfache Aufgabe. Die journalistischen Standards müssen hoch sein. Faktenchecks werden häufig diskutiert – ist es noch ausreichend, Faktenchecks im Anschluss an die Berichterstattung zu senden? Wird das Publikum dadurch überhaupt noch erreicht? Auch Kontext und kritisches Hinterfragen der getätigten Aussagen dienen als Instrumente. Doch ist das ausreichend? Meiner Meinung nach nicht. Die Bühne für Populisten ist außerordentlich gefährlich.

Strategie der Normalisierung

Rechtsradikale versuchen gezielt, als „normale“ Diskussionspartner dazustehen. Öffentliche Auftritte vermitteln den Eindruck, ihre Positionen seien legitime Beiträge zur demokratischen Debatte – selbst wenn sie demokratische Grundwerte ablehnen.

Durch die öffentliche Bühne erhält die Ideologie der Extremisten gesellschaftliche Legitimität. Die Gesellschaft konsumiert die Ideologie über viele verschiedene Kanäle, und so rücken Sichtweisen in den Bereich des Akzeptablen, des Diskutierbaren, die Personen ohne diese Beeinflussung höchstwahrscheinlich ablehnen würden.

Um diese Strategie zu verhindern, kann man ausschließlich unterbinden, dass Extremisten überhaupt eine Bühne geboten wird. Der kritische Diskurs mit den Inhalten wird der Normalisierung nicht entgegenwirken.

Provokation ist das Geschäftsmodell

Gibt man Rechtsextremen ihre gewünschte Bühne, so werden sie sie nutzen, um zu provozieren. Die Medien sind voll von Zitaten, von denen man eigentlich kaum glauben kann, dass beispielsweise ein Mitglied des Land- oder Bundestages so etwas gesagt haben soll.

Diese Akteure leben davon, Grenzen zu überschreiten – kontroverse Aussagen provozieren Empörung und erzeugen Reichweite. Jede Talkshow, jedes Streitgespräch stellt einen Multiplikator dar. Und genau aus diesem Grund ist die öffentliche Bühne , die geschenkte Aufmerksamkeit – auch negative – ihr wichtigster Treibstoff.

Je provokanter, je unsagbarer eine Aussage, desto mehr Empörung wird sie auslösen, und desto mehr wird sie geklickt, geteilt, verbreitet. Von Anhängern wie von Gegnern gleichermaßen. Es ist so traurig wie es paradox ist, dass die Gegner der extremen Rechten eigentlich eine erhebliche Teilschuld an der Verbreitung deren Narrative tragen, einfach da sie diese Inhalte aus Empörung weiterverbreiten und ihnen noch mehr Reichweite schenken, als sie es organisch je erreichen würden.

Aus dem Marketing lernt man bereits: Es gibt keine negative Publicity. In Zeiten von Internet und Algorithmen ist die Aussage wahrer denn je. Denn der Algorithmus kümmert sich nicht um die Intention eines Klicks, um den Auslöser der Aufmerksamkeit. Für den Algorithmus zählt nur: Je mehr, desto besser. Mehr Klicks, mehr Werbeeinnahmen.

Opferrolle als Lebenserhaltungs-Modus

Die extreme Rechte nutzt die Kontroverse über diese Bühnen-Debatte sehr geschickt. Sie stellen sich bewusst als Opfer dar („man will uns mundtot machen“), um Sympathien zu mobilisieren. Gibt man ihnen die Bühne, nutzen sie sie für Provokation, Populismus und Propaganda. Gibt man sie ihnen nicht, nutzen sie das ebenfalls: Um “Zensur!” zu schreien. In beiden Fällen versucht man, politisches Kapital daraus zu schlagen – aber nur in einem Fall bekommt man tatsächlich ein Millionenpublikum geliefert. Daher ist für mich relativ klar, dass man ihnen lieber die Opferrolle schenken sollte, als das große Publikum.

Debatte setzt demokratische Mindeststandards voraus

Eine häufig genannte Strategie im Umgang mit Extremisten und Populisten ist: “Man muss sie inhaltlich stellen”. Es ist also der Aufruf, man solle mit sachlicher Diskussion und Argumenten die populistischen Aussagen von Rechtsextremen widerlegen, um ihnen die Argumentation des “Mundtotmachens” zu nehmen. Das klingt im ersten Moment nach einer guten herangehensweise. Bei genauerer Betrachtung stellt man aber schnell fest:

Um über Ideen zu streiten, braucht es gemeinsame, demokratische Grundannahmen – wie die Würde aller Menschen oder die Anerkennung pluraler Gesellschaften.
Bei Akteuren, die diese Grundannahmen selbst ablehnen, wird die Debatte zwecklos – oder sogar zur Bühne für menschenfeindliche Propaganda.

Es braucht ein gemeinsames Fundament, um konstruktiv streiten zu können. In einer demokratischen Gesellschaft sollten alle Beteiligten einer Diskussion die grundlegenden Regeln des demokratischen Diskurses akzeptieren. Beispielsweise:

  • Respekt vor der Menschenwürde: Jeder Mensch hat denselben Wert, unabhängig von Herkunft, Religion, Geschlecht usw.
  • Anerkennung pluraler Gesellschaft: Unterschiedliche Meinungen, Lebensentwürfe und Gruppen haben ein Recht auf Existenz und Mitbestimmung.
  • Verbindlichkeit von Fakten und Argumenten: Streitkultur basiert auf nachvollziehbaren Argumenten, nicht auf Lügen oder Desinformation.

Schon alleine der dritte Punkt dieser Auflistung führt im Diskurs mit Extremisten häufig zu Problemen. Denn die Unterscheidung zwischen Fakten und Desinformation ist leider nicht für alle Menschen einfach. Auch werden Fakten oft selektiv oder bewusst falsch dargestellt, um Stimmung zu machen.

Bei Diskussionen mit Rechtsextremen fehlt dieses gemeinsame Fundament, welches eigentlich auf die Pfeiler unseres Grundgesetzes fußen sollte. So stellen sie beispielsweise die Gleichwertigkeit aller Menschen infrage, z. B. durch fremdenfeindliche, rassistische oder antisemitische Aussagen. Sie sehen manche Menschen als „minderwertig“ oder „nicht zugehörig“. Oder sie propagieren eine stark einseitige Sicht auf Gesellschaft („wir gegen die anderen“) und untergraben damit die pluralistische Ordnung. Dadurch lehnen sie zentrale demokratische Grundprinzipien ab.

Foto von Andrea De Santis auf Unsplash

Aufmerksamkeit ist ein begrenztes Gut

Jede Bühne, die Populisten bekommen, nimmt anderen Themen und Stimmen Raum – z. B. konstruktiven Demokratiedebatten, Minderheiten, wissenschaftlichen Perspektiven, zivilgesellschaftlichem Engagement. Wir sollten daher die begrenzte Aufmerksamkeit lieber für gesellschaftlich und demokratisch konstruktive Inhalte nutzen.

Wie geht die Kuseler Stimme mit dem Thema um?

Die „Kuseler Stimme“ versteht sich als Plattform, die demokratische Teilhabe, Meinungsvielfalt und respektvollen Austausch fördert. Unser gemeinnütziger Zweck ist es, Menschen zu ermutigen, sich aktiv an der Gestaltung unserer Gesellschaft zu beteiligen – im Gespräch, im Austausch und im Streit um Ideen.

Gleichzeitig haben wir eine klare Grenze: Wer verfassungsfeindliche Organisationen unterstützt oder menschenfeindliche Ideologien vertritt, kann bei uns keine Beiträge oder Kommentare veröffentlichen. Wir tun dies nicht, um jemanden mundtot zu machen, sondern weil unsere Plattform nicht als Bühne für Hass, Hetze oder Angriffe auf die Demokratie dienen darf.

Es widerspräche unserem Auftrag und unseren Werten, Menschen, die die Grundlagen unseres demokratischen Zusammenlebens ablehnen, öffentlich Raum zu geben. Wir wollen, dass hier Diskussionen auf gemeinsamen demokratischen Grundannahmen stattfinden – auf Respekt, Fakten und der Anerkennung der Würde jedes Einzelnen. Nur so kann unsere Bürgerzeitung ihrem Ziel gerecht werden: die Demokratie zu stärken, die Gesellschaft zusammenzuhalten und den öffentlichen Diskurs konstruktiv zu fördern.


Der Text bezieht sich in großen Teilen auf Rechtsextremismus. Das ist der aktuellen Situation geschuldet, und dass die Debatte über Rechtsextremismus aktuell einen hohen Stellenwert hat. Wir legen die gleichen Standards allerdings in beide Richtungen an. Sollte sich eine linksextremistische Gruppierung auftun, die als verfassungsfeindlich eingestuft wird, so würden wir mit Beiträgen von deren Unterstützern und Mitgliedern genauso umgehen. Auch ist nicht jeder Populist extremistisch. Problematisch wird es, wenn grundlegende demokratische Werte abgelehnt werden. Über Populismus und Desinformation folgt noch mal ein eigener Beitrag.

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